Sind Ihre Führungskräfte noch „normal selbstbewusst“ oder schon „übertrieben selbstverliebt“?
Jeder von uns hat bestimmt schon einmal mit jemandem zusammengearbeitet, der absolut von sich überzeugt war, aber nicht mit Leistung punktete. Vielleicht mussten Sie auch schon mit Entsetzen feststellen, dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin, die Sie rekrutiert haben, nicht über die nötige Qualität oder Kompetenz verfügt – und das obwohl das Bewerbungsgespräch vielversprechend verlief.
Immer wieder kommt es zu Fehlern und Irrtümern in der Personalselektion. Und je höher die zu besetzende Position im Unternehmen ist, umso ärgerlicher wird es, wenn sie fehlbesetzt wird. Viele von uns haben selbst erlebt, welche Auswirkungen schlechtes Management haben kann. Ist der Chef selbst sein grösster Fan, stolziert er selbstherrlich durch das Unternehmen und behandelt seine Mitarbeitenden von oben herab, führt das mitunter zu katastrophalen Folgen. Mitarbeitende sind demotiviert, bringen keine Leistung und künden aufgrund des Vorgesetzten. Oft verliert ein Unternehmen viele wertvolle Fachkräfte, bevor eine Führungskraft ersetzt wird. Auch mir sind in der Besetzung von Führungspositionen mehrfach Fehler unterlaufen. Rückblickend unterlag ich dabei einem weit verbreiteten – und mittlerweile empirisch gut fundierten – Irrtum bei der Rekrutierung; nämlich der Verwechslung von überzeugender Selbstdarstellung und mit wahrlich vorhandener Kompetenz.
Charisma oder totale Selbstüberschätzung?
Empirische Untersuchungen belegen, dass 70% der Führungskräfte ein übersteigertes Selbstvertrauen haben (aus: Tomas Chamorro-Premuzic, »Why Do So Many Incompetent Men Become Leaders?«, Harvard Business Review, 22. August 2013). Doch woran liegt es, dass sich Menschen in Führungspositionen für aussergewöhnlich fähig halten? So manch böse Zunge würde jetzt behaupten, dass es daran liegt, dass die meisten Führungskräfte männlich sind. Eine Frage, mit der sich auch der Psychologe Tomas Chamorro-Premuzic auseinandersetzt. Er argumentiert, dass es nicht auf mangelnde Kompetenz und fehlende Motivation zurückzuführen ist, dass es nur wenige Frauen in Führungspositionen gibt, sondern darauf, dass wir unfähig sind, die Inkompetenz vieler Männer zu entlarven.
Nach wie vor unterliegen wir der längst überholten Vorstellung, dass jemand mit einem übermässig grossen Selbstbewusstsein charismatisch ist, dass jemand, der vielleicht sogar narzisstische Züge hat, über Führungspotenzial verfügt. Das Problem ist, dass genau das die Eigenschaften sind, die jemanden zu einem schlechten Chef machen – doch das wird oftmals einfach ignoriert. Das Ergebnis ist ein Überschuss an inkompetenten Männern in Führungspositionen, der es anderen, wirklich kompetenten Männern und Frauen schwer macht, selbst in eine solche Position zu kommen. Damit einhergehend werden gleichzeitig auch die Anforderungen an Führung deprimierend niedrig gehalten.
Führung – eine wertvolle Unternehmensressource
Eine Führungsposition ist kein glamouröses Karriereziel oder die persönliche Belohnung für langjährige Mitarbeiter, sondern vielmehr eine wertvolle Ressource mit Potenzial, welche Unternehmen optimal nutzen sollten. Führung ist nur dann gut, wenn die Mitarbeitenden davon profitieren, indem sie mit mehr Motivation bessere Leistungen bringen, von denen letztlich auch das Unternehmen als solches profitiert. Die Anhebung der Führungsstandards – nicht einfach nur die Forderung nach mehr Frauen in Führungspositionen – sollte daher oberste Priorität haben.
Was macht gute Führungskräfte aus?
Es wirkt attraktiv, wenn sich eine Führungskraft zunächst mit sehr viel Selbstbewusstsein und charismatischen Persönlichkeitszügen präsentiert. Überschätzt sich jemand stark, so neigt er jedoch auch dazu, große Risiken einzugehen und fehlende Kompetenz mit fast schon irrwitzigen Entscheidungen auszugleichen. Konkret heisst das: Achten Sie gezielt darauf, was gute Führungskräfte ausmacht. Diese zeichnen sich besonders durch ihre Kompetenz, Integrität und Bescheidenheit aus. Wird diesen Eigenschaften bei der Besetzung einer Führungsposition ein höherer Stellenwert eingeräumt, so führt das automatisch dazu, dass mehr Frauen in Führungspositionen gewählt werden, da diese in weiteren empirischen Untersuchungen hinsichtlich dieser Merkmale besser abschneiden als ihre männlichen Kollegen.
Wie erleben Sie das? Sind Ihnen bei der Besetzung von Führungspositionen solche oder ähnliche Fehler auch unterlaufen? Was tun Sie damit sich diese Fehler nicht wiederholen? Ich freue mich auf Ihr Feedback zu diesem Thema.